Crailsheim - Schwäbisch Hall - Hessental Öhringen Hbf - Heilbronn Hbf (- Eppingen)
1862 - 2021 (Eröffnung 02. August 1862)
Mit Trara über Stock und Stein Postkuschenromantik war in Wirklichkeit eine Strapaze für Mansch und Tier von Gerhard Gutbrod
Wilhelm Busch (1832-1908), der Schöpfer von “Max und Moritz”, fasste seine Empfindungen bezüglich des Reisens einmal so zusammen: “Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel.” Zu Buschs Kinderzeit wäre diese gereimte Aussage aber wesentlich negativer ausgefallen, denn das damals übliche Reisen per Postkutsche war eher Tortur als Vergnügen. Und einfach so zum Spaß unterwegs zu sein, kam niemandem in den Sinn, denn wer wollte sich schon freiwillig seine Bandscheiben ruinieren lassen, wenn die Kutsche mal wieder über kopfgroße Steine rumpelte oder bis zu den Achsen im Schlamm versank? Gebrochene Räder, umstürzende Wagen und durchgehende Pferde machten so manche Tour zwischen Heilbronn und Schwäbisch Hall zum Abenteuer und dabei galt die gefederte Kutsche sogar noch als besonders komfortabel. Immerhin gab es bei der Post aber feste Tarife und Fahrpläne, nach denen die Passagiere mehr oder weniger zuverlässig von A nach B transportiert wurden. Im Öhringer Hotel “Württemberger Hof”, ehemals eine Poststation, waren vor der Renovierung alte Fahrpläne und Preistafeln in den Gasträumen ausgehängt. Daraus konnte man ersehen, dass eine Fahrt nach Heilbronn oder Schwäbisch Hall rund einen halben Tag dauerte, weil lange Aufenthalte zum Pferdewechseln, Pausen für die Postillione (Kutscher) und die Aufnahme kleiner Frachten das rasche Fortkommen immer wieder hinauszögerten. Wenn damals jemand die heutigen Fahrzeiten von einer knappen halben Stunde vorhergesagt hätte, wäre er bestimmt für verrückt erklärt worden. Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe ist auf endlosen Fahrten mit Postkutschen sogar bis nach Süditalien und wieder zurück gereist, brauchte rund 20 Monate und hat dabei zweimal die Alpen überquert. Man war seinerzeit bei weitem nicht so verwöhnt wie heute und der Dichterfürst konnte sich, dank seiner gut gefüllten Reisekasse, bei standesgemäßer Bewirtung und ordentlichem Nachtlager von den Reisestrapazen immer wieder erholen. Ausgesprochen hart war das Leben der Fuhrleute, die mit Ochsen- und Pferdegespannen schwere Lasten zu transportieren hatten. Besonders an Steigungen waren die Zugtiere schwer gefordert, deshalb richtete man an den Enden von steilen Wegstrecken Pferdewechsel-Stationen ein, wo erschöpfte Tiere bei Bedarf durch ausgeruhte ersetzt werden konnten. Das so genannte „Steigenhaus” oberhalb von Untermünkheim erinnert heute noch an diese Zeit. Mit der Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Heilbronn-Öhringen-Schwäbisch Hall im Jahr 1862 verstummte das Posthorn und die Leute lauschten dem Pfiff der Lokomotiven. Die Zeit der Postkutschen in Hohenlohe war damit für immer vorbei.
Hohenloher Zeitung, Donnerstag, 08. März 2012
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